Den Opfern nahe sein – Erinnerung lebendig erhalten!
27. Jul 2017
Im Mittelpunkt unserer diesjährigen Wallfahrt stand die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus mit dem Blick auf die Opfer von Krieg und Terror unserer Zeit.
Unser Wallfahrtsweg führte uns vom S-Bahnhof Hebertshausen über die dortige ehemalige Schießstätte zur Dachauer KZ -Gedenkstätte.
Zur
Einführung erinnerte unser Geistlicher Beirat, Pfarrer Charles Borg-Manche` an
die aufsehenerregende Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker 1985 zum 40.
Jahrestag der Befreiung Deutsch-lands von der Nazi-Herrschaft:
„Die Erinnerung ist die Erfahrung vom
Wirken Gottes in der Geschichte. Sie ist die Quelle des Glaubens an die
Erlösung.“
Bei der 1.Statio am ehemaligen
SS-Schießplatz Hebertshausen konnten wir uns davon überzeugen, dass der lange
Zeit weitgehend unbeachtete und verwahrloste Platz vor einigen Jahren zur
Erinnerung an die Opfer angemessenen hergerichtet wurde.
Rosemarie Wechsler gestalte diese Statio und berichtete uns über die
wechselhafte Geschichte dieses Gedenkplatzes:
„Von 1941-1944 wurden hier bis zu 4.500 russische Kriegsgefangene erschossen. Grundlage war der so genannte Kommissarsbefehl. Danach wurden Soldaten und Offiziere der UdSSR, die im Verdacht standen, Kommunisten zu sein, ohne weiteres Verfahren umgebracht
Als im Jahr 1985 an „40 Jahre Befreiung“ erinnert wurde, kam aus den Reihen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes die Idee, auch diesen Platz in die Erinnerung mit einzubeziehen.
Es gab dann 1985 eine Fahrradstafette, beginnend am Platz der Opfer des Nationalsozialismus mit einigen Zwischenstationen bis hierher. Ab 1986 wurde aus der Friedensstafette ein Friedensweg, der nach Abschluss der Gedenkfeiern von der KZ-Gedenkstätte Dachau bis hierherführte.
Aus dem Friedensweg wurde nach einigen Jahren die
„Gedenkstunde“ hier am Schießplatz, um auch den gebrechlicheren unter den
Teilnehmern – vor allem aus der ehemaligen UdSSR- die Teilnahme zu ermöglichen.
Pax christi war von Anfang an bis heute bei den Aufrufern und allen Aktionen
aktiv dabei.
Ein wichtiges Ereignis in den letzten Jahren war der
Fund von Unterlagen aus der damaligen Zeit, so dass man jetzt wenigstens die
Namen von mehr als 800 Ermordeten kennt.
Man sieht diese Namen auf den Glasscheiben und sie sind somit der Anonymität
entzogen.
Man hofft, weitere Namen zu finden. Dafür stehen die weißen Flächen auf den
Glastafeln.“
Mit einem Text von Elie Wiesel, selbst KZ-Häftling, über die Gleichgültigkeit und dem Lied von den Moorsoldaten versuchten wir, die Leiden der dama-ligen Opfer nachzuempfinden.
Wer mehr über die
Schießstätte in Hebertshausen erfahren will:
http://www.kz-gedenkstaette-dachau.de/gedenkorte_hebertshausen.html
Ludwig Schmidiner, Pastoralreferent,
Bischöflicher Beauftragter für KZ-Gedenkstättenarbeit in der Erzdiözese München und Freising hat unsere
Wallfahrt zusammen mit Pfarrer Charles Borg-Manche` vorbereitet und auch begleitet.
Er gestaltete die zweite Statio an der sog.
Kräutergartenplantage kurz vor der eigentlichen KZ Gedenkstätte und erzählte
uns:
„1938
mussten KZ-Häftlinge östlich der Alten Römerstraße eine große
Kräutergartenanlage ("Plantage") errichten. Der Anbau einheimischer
Kräuter war von der "Arbeitsgemeinschaft für Heilpflanzenkunde"
angeregt worden und auf besonderes Interesse beim "Reichsführer SS"
Heinrich Himmler gestoßen. Deutschland sollte von der Einfuhr ausländischer
Medikamente und Gewürze unabhängig werden. Während des Krieges wuchs die
ökonomische Bedeutung der Häftlingsarbeit im Kräutergarten. Die SS hatte im
Kräutergarten auch einen Laden eingerichtet, um Produkte der Plantage an die Bewohner
aus Dachau und den Nachbargemeinden zu verkaufen. Einzelnen Häftlingen gelang
es, hier heimlichen Kontakt zur Zivilbevölkerung aufzunehmen.“
Zeichnung eines Häftlings von der "Plantage": Rückkehr von der "Plantage" (Zeichnung von Hans Quaeck, 1955)
Das Gebet für den Frieden aus dem Friedenskapitel der Ordensleute und das Lied über das Korn in der Erde, aus der wieder Frucht und Liebe entsteht, rundete diese Statio ab.
Leiber blieb nur wenig Zeit für eine Führung durch
die KZ- Gedenkstätte selber.
Im Oktober letzten Jahres hatte Herr Schmidinger uns bereits eine Führung gestaltet.
Er verwies auf zwei lesenswerte Bücher:
Sales Hess:
Eine Welt ohne Gott
http://www.vier-tuerme-verlag.de/religion-und-spiritualitaet/glaube/220/kz-dachau-eine-welt-ohne-gott
Schwester Maria Imma Mack: Warum ich Azaleen liebe
http://eos-verlag.de/de_DE/warum-ich-azaleen-liebe/
Zum Abschluss der Wallfahrt feierten wir zusammen mit Pfarrer Charles Borg
Manche` einen Gottesdienst in der Kapelle im Karmel Hl.Blut.
In diese Eucharistiefeier nahmen wir mit hinein die Eindrücke dieser Wallfahrt,
das Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt damals wie heute.
In seiner Predigt betonte Pfarrer Charles Borg Manche`:
„ - Den
Opfern Nahe sein - heißt daher für
mich, auch heute die Worte des Propheten Jesaia im Exil an das Volk Israel - „Fürchte dich nicht, denn ich habe
dich ausgelöst; ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir…Fürchte dich
nicht, denn ich bin mit dir…Ich, der Heilige Israels, bin dein Retter.“ (Jes. 43,1 ff) - immer wieder ins
Gedächtnis zu rufen und, wie damals die KZ-Häftlinge hier in Dachau, trotz Leid
und Unrecht, Gewalt und Terror um uns herum die Hoffnung nie aufzugeben, unser
Vertrauen auf Gottes Macht und Liebe zu setzen. Mit anderen Worten: Für uns
Christen heute kann keine Lage so hoffnungslos sein, als dass wir nicht im
vollen Vertrauen auf Gott handeln können – auch dann, wenn die Aussicht auf
Erfolg nur gering ist. Denn Erfolg ist, laut dem jüdischen Religionsphilosophen
Martin Buber, keiner der Namen Gottes – Erfolg kann für uns Christen nicht der
entscheidende Maßstab für unser Handeln sein.“
Abschließend wünschte er uns allen von Herzen Kraft, Mut und einen langen Atem,
um glaubwürdig und gewaltfrei zu handeln und auch bei Misserfolgen die Hoffnung
zu bewahren.
Die Predigt kann im Downloadbereich heruntergeladen werden.
Wir gedachten auch der verstorbenen pax christi Mitglieder und hier insbesondere an Wilhelmine Miller, die ein paar Tage zuvor gestorben war..
Diesmal war es eine Wallfahrt in eine düstere Vergangenheit, um die
Erinnerung lebendig zu halten und den Opfern, auch denen von heute, nahe zu
sein.
Und doch hoffen und glauben wir mit unseren Gebeten und Aktionen an eine
hellere bessere Zukunft.
Gabriele Hilz
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